Verfasst von: Randy Nyssen
Lesezeit: 6 Minuten
Veröffentlicht am: 12.09.2025
Verfasst von: Randy Nyssen
Lesezeit: 6 Minuten
Veröffentlicht am: 12.09.2025
„Am schlimmsten sind die Morgenstunden. Ich wache auf und meine Finger fühlen sich an wie eingerostet. Bevor ich überhaupt eine Tasse halten kann, brauche ich eine halbe Stunde, um die Hände in Bewegung zu bringen.“
– Karin, 48 Jahre, Betroffene mit Rheumatoider Arthritis
Rheumatoide Arthritis (RA) ist eine chronisch-entzündliche Autoimmunerkrankung, die vor allem die Gelenke betrifft. In Deutschland sind rund 550.000 bis 800.000 Menschen betroffen, Frauen etwa dreimal häufiger als Männer. Die Erkrankung beginnt oft schleichend, kann aber innerhalb weniger Jahre zu dauerhaften Schäden an Gelenken, Knochen und Weichteilen führen.
Die Folge sind Schmerzen, Steifigkeit, Müdigkeit und eine deutlich eingeschränkte Lebensqualität. Viele Patient:innen fühlen sich in ihrem Alltag „wie gefangen im eigenen Körper“.
Doch die Medizin entwickelt sich weiter: Neben klassischen Medikamenten rückt in den letzten Jahren auch Medizinalcannabis zunehmend in den Fokus – als ergänzende Option, um Schmerzen zu lindern, Entzündungen zu beeinflussen und mehr Lebensqualität zurückzugeben.
Rheumatoide Arthritis gehört zu den Autoimmunerkrankungen. Das bedeutet: Das Immunsystem greift fälschlicherweise körpereigenes Gewebe an – in diesem Fall vor allem die Gelenkinnenhaut.
Morgensteifigkeit der Gelenke (häufig > 60 Minuten)
Schwellungen und Schmerzen in kleinen Gelenken (Finger, Zehen, Handgelenke)
Symmetrischer Befall: meist beide Körperseiten betroffen
Müdigkeit und Erschöpfung („Fatigue“)
Im Verlauf: Verformungen und Zerstörung der Gelenke
„Es ist nicht nur der Schmerz. Es ist diese bleierne Müdigkeit, die einen lähmt. Manchmal schaffe ich es kaum, die Treppe hochzugehen, obwohl die Gelenke gar nicht so schlimm wehtun.“
– Michael, 54 Jahre
In Deutschland: 0,5–1 % der Bevölkerung betroffen (Quelle: Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie, DGRh).
Häufiger Krankheitsbeginn zwischen 35 und 50 Jahren.
Ohne Therapie führt RA bei bis zu 80 % der Patient:innen innerhalb von 10 Jahren zu dauerhaften Schäden.
RA verkürzt die Lebenserwartung statistisch um 3–10 Jahre, vor allem durch erhöhte Herz-Kreislauf-Risiken.
Die Behandlung der Rheumatoiden Arthritis hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verbessert. Ziel ist heute nicht nur, Schmerzen zu lindern, sondern die Entzündungsaktivität so früh und so stark wie möglich zu kontrollieren.
Basistherapeutika (DMARDs) – z. B. Methotrexat (MTX)
Hemmen die fehlgeleitete Immunreaktion
Ziel: langfristige Krankheitskontrolle
Biologika & JAK-Inhibitoren
Moderne, gezielte Wirkstoffe
Blockieren bestimmte Botenstoffe des Immunsystems
Kortisonpräparate
Schnelle Entzündungshemmung, aber langfristig wegen Nebenwirkungen problematisch
Schmerzmittel (NSAR, Opiate)
Zur Symptomkontrolle, nicht krankheitsmodifizierend
Physiotherapie & Ergotherapie: Gelenke beweglich halten
Hilfsmittel: Schienen, spezielle Griffe, Alltagshilfen
Operationen bei schweren Gelenkschäden
Wo klassische Therapien an Grenzen stoßen
Trotz moderner Medikamente erreicht nur ein Teil der Patient:innen eine dauerhafte Remission (Entzündungsfreiheit). Viele leiden weiterhin unter:
Restschmerzen
Fatigue
Nebenwirkungen durch Medikamente
Hier beginnt die Suche nach ergänzenden Therapien – und Medizinalcannabis rückt in den Fokus.
Die Cannabispflanze enthält über 100 Cannabinoide, am wichtigsten:
THC (Tetrahydrocannabinol): schmerzlindernd, muskelentspannend, schlaffördernd
CBD (Cannabidiol): entzündungshemmend, angstlösend, antirheumatisch wirksam
Diese Stoffe wirken über das Endocannabinoid-System, ein körpereigenes Netzwerk aus Rezeptoren (CB1, CB2), das Schmerz, Entzündung, Stimmung und Immunsystem reguliert.
Eine Studie von Blake et al. (2006, Rheumatology) zeigte, dass Patient:innen mit RA, die Cannabisextrakt (Sativex®) erhielten, über deutlich weniger Schmerzen und bessere Schlafqualität berichteten.
Neuere Untersuchungen belegen, dass Cannabinoide entzündungshemmend wirken, indem sie Immunzellen beeinflussen.
In Übersichtsarbeiten (z. B. Häuser et al., 2017) wird Cannabis als sinnvolle Zusatzoption bei chronischen Schmerzen – auch bei RA – diskutiert.
Standardisierte Dosierung: reproduzierbar, Tropfenweise einstellbar
Kombination von THC und CBD: Synergieeffekte möglich
Geringeres Risiko psychoaktiver Nebenwirkungen bei ausgewogenem Verhältnis
„Seit ich Cannabisextrakt nehme, kann ich nachts endlich wieder durchschlafen. Morgens sind die Hände beweglicher, und ich brauche weniger Kortison.“
– Petra, 59 Jahre
Patient:innen mit anhaltenden Schmerzen, trotz Basistherapie
Menschen, die klassische Schmerzmittel nicht vertragen
Patient:innen mit schwerer Schlafstörung oder Fatigue
Ergänzend zu Standardtherapien – nicht als Ersatz für DMARDs!
Mehr Lebensqualität durch Medizinalcannabis
Rheumatoide Arthritis lässt sich bislang nicht heilen. Doch Betroffene berichten, dass Medizinalcannabis ihnen etwas sehr Wichtiges zurückgibt: Teilstücke von Lebensqualität.
Schmerz wird erträglicher
Bewegung wieder möglich (z. B. Spaziergänge, Gartenarbeit)
Besserer Schlaf – weniger nächtliches Aufwachen
Mehr emotionale Stabilität
Rheumatoide Arthritis ist eine schwere, chronische Erkrankung – eine unsichtbare Last, die Millionen Menschen in Deutschland tragen. Moderne Therapien haben viel verbessert, doch nicht alle Beschwerden lassen sich dadurch kontrollieren.
Medizinalcannabis ist kein Wundermittel, aber es kann für viele Patient:innen ein wichtiger Baustein sein: zur Schmerzreduktion, besseren Schlafqualität und gesteigerten Lebensfreude.
Die Zukunft der Rheumatherapie wird wahrscheinlich in einem multimodalen Ansatz liegen:
Basistherapie zur Krankheitskontrolle,
Bewegung, Ernährung und psychologische Unterstützung,
und ergänzend Cannabisextrakte, wenn Standardwege an ihre Grenzen stoßen.