Verfasst von: Dr. Nadine Frey
Lesezeit: 7 Minuten
Veröffentlicht am: 07.10.2022
Verfasst von: Dr. Nadine Frey
Lesezeit: 7 Minuten
Veröffentlicht am: 07.10.2022
Für die Wirkung von Cannabisarzneimitteln sind vor allem die beiden bekanntesten Cannabinoide Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD) verantwortlich. THC kann schmerzlindernd, muskelentspannend, appetitanregend, übelkeitshemmend und schlaffördernd wirken. CBD hat entzündungshemmende, angstlösende, schmerzlindernde und antiepileptische Eigenschaften, wirkt jedoch anders als THC nicht berauschend. Durch die vielfältigen Wirkeigenschaften der Cannabinoide kommen Cannabispräparate bei zahlreichen, vor allem schweren und chronischen Erkrankungen zum Einsatz.
Auch wenn Cannabisarzneimittel im Allgemeinen als gut verträglich gelten, können potenzielle Nebenwirkungen auftreten. Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Cannabis zählen unter anderem: Müdigkeit, Schwindel, Übelkeit, Mundtrockenheit, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisstörungen, Gleichgewichtsstörungen, verschwommenes Sehen, Desorientierung, Lethargie, Depression, sowie euphorische Stimmung und Diarrhö.
Häufig kommt es auch zu einer Steigerung des Appetits, bei der es sich aber je nach Erkrankung auch um einen gewünschten Effekt handeln kann. Eher selten treten schwere Nebenwirkungen wie Wahnvorstellungen, Halluzinationen oder Panikattacken auf, die insbesondere bei Patient:innen mit psychischen Vorerkrankungen berücksichtigt werden sollten.
In der zwischen 2017 und 2022 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) durchgeführten Anwendungsbeobachtung, fanden sich bei der Verwendung unterschiedlicher Cannabisarzneimittel (Cannabisblüten, Cannabisextrakte, Dronabinol-Zubereitungen, Sativex®, Canemes®/Nabilon) grundsätzlich die gleichen Nebenwirkungen. Kleinere Unterschiede zeigten sich lediglich in der Häufigkeit der Nebenwirkungen.
Beispielsweise trat Mundtrockenheit verglichen mit Blüten-Patient:innen bei Patient:innen die Sativex® einnahmen etwa doppelt so häufig auf. Das verstärkte Auftreten von Mundtrockenheit könnte dabei mit der alkoholischen Komponente des Präparats in Verbindung stehen.
Die Nebenwirkung „euphorisierende Wirkung“ trat bei Blüten-Patient:innen verglichen mit anderen Cannabisarzneimitteln dreimal häufiger auf. Das könnte vor allem auf die vergleichsweise hohen THC-Mengen zurückgeführt werden, die bei der Inhalation von Cannabisblüten eingenommen werden.
Im Bereich der Cannabisarzneimittel gibt es verschiedenste Präparate, die entweder einen oder mehrere Wirkstoffe enthalten. Dabei handelt es sich hauptsächlich um THC bzw. Dronabinol oder CBD. Zudem enthalten Produkte die direkt aus der Pflanze hergestellt werden, wie beispielsweise getrocknete Cannabisblüten oder Cannabisextrakte neben weiteren Cannabinoiden auch Stoffe wie Flavonoide und Terpene. Diese Stoffe können die Wirkung der Cannabinoide modulieren.
Viele Patienten berichten, dass die Kombination mehrerer Wirkstoffe und der sogenannte Entourage-Effekt zum einen die Wirksamkeit verbessert und zum anderen das Auftreten von Nebenwirkungen verringert. Auch in der Literatur gibt es Hinweise darauf, dass CBD einige der Nebenwirkungen, die dem THC zugeschrieben werden, abmildern könnte. Aber kann dies auch mit Daten belegt werden?
Im Rahmen der Begleiterhebung berichteten die mit Cannabisblüten behandelten Patient:innen von einem besseren Therapieerfolg. Zudem brachen Sie die Therapie seltener ab und gaben seltener Nebenwirkungen an. Dennoch zeigten sich bei einem Vergleich der Nebenwirkungen von CBD-haltigen und nicht-CBD-haltigen Cannabisarzneimitteln keine signifikanten Unterschiede.
Gründe dafür könnten das jüngere Durchschnittsalter der Blüten-Patient:innen sein, sowie die potenziell höhere Vorerfahrung dieser Gruppe mit Cannabinoiden. Allerdings wurde bei den Vergleichsgruppen lediglich berücksichtigt, ob die Präparatgruppen prinzipiell CBD enthalten (Cannabisblüten, Cannabisextrakte, Sativex®) oder ob sie ausschließlich THC enthalten (Dronabinol, Canemes®/Nabilon). Ob die Cannabisblüten und Cannabisextrakte aber überwiegend THC enthielten oder ob es sich um CBD-reiche Produkte handelte, wurde nicht genau erfasst. Somit können kaum aussagekräftige Rückschlüsse aus den Daten gezogen werden.
Einige der Nebenwirkungen von Cannabis sollten im Alltag der Patienten berücksichtigt werden.
Ein wichtiger Punkt stellt hierbei auch der Einfluss von THC auf die Fahrtüchtigkeit und das Bedienen von Maschinen, sowie das Arbeiten in Höhen dar. Vor allem zu Beginn der Therapie, wenn die Dosierung vermehrt angepasst wird, kann die Unfallgefahr durch Aufmerksamkeits- und Konzentrationsdefizite, sowie möglicherweise Schwindel erhöht sein. Dasselbe gilt für die sprunghaft ansteigenden und oftmals sehr hohen THC-Blutkonzentrationen nach der Inhalation von Cannabisblüten.
Eine weitere wichtige Rolle kann auch das Alter der Patient:innen spielen. Einige der Nebenwirkungen, insbesondere Schwindel, können beispielsweise zu einer erhöhten Sturzgefahr führen. Zudem treten bei älteren Patient:innen Nebenwirkungen häufig schon bei geringeren Dosierungen auf als bei jüngeren Patient:innen.
Müdigkeit und Konzentrationsschwierigkeiten können zudem die Leitungsfähigkeit von Patient:innen beeinflussen, die einem Beruf nachgehen.
Um vor allem hinsichtlich Einnahmeform und Dosierung die passende Therapie für die jeweiligen Lebensumstände der Patient:innen zu finden, ist ein enger Austausch zwischen Patient:innen und deren behandelndem Arzt wichtig.
In der Regel werden Cannabinoide langfristig gut vertragen, sodass die Patient:innen gut damit umgehen können und nur selten die Behandlung deswegen abbrechen müssen.
Dabei unterscheiden sich die Nebenwirkungsprofile von Rezepturen wie Cannabisblüten, Cannabisextrakten oder Dronabinol-Zubereitungen kaum von denen bereits zugelassener Fertigarzneimittel auf Cannabinoidbasis.
Ob und wie genau der Entourage-Effekt bei Präparaten die sowohl THC als auch CBD und weitere Pflanzenstoffe enthalten dabei eine Rolle spielt, benötigt aktuell einer genaueren Untersuchung in kontrollierten Studien. Dennoch sollte die Erfahrung vieler Patient:innen bei der Anwendung verschiedener Cannabinoidarzneimittel nicht außer Acht gelassen werden.